Reuttener Ingenieurkolleg nur knapp an Wahrnehmungsgrenze

Das Reuttener Ingenieurkolleg kämpft mit niedrigen Schülerzahlen – und geht nun in die Offensive.

© Mittermayr Helmut

Direktor Franz Pohler startet eine Charme- und Informationsoffensive für das IKA Reutte. Foto: Mittermayr

 

Reutte – „Sag mir auf Anhieb, was das IKA Reutte macht! Ähhh ....“. Die Antworten fallen selten befriedigend aus für eine Schule, die schon zwölf Jahre existiert und HTL-Abschlüsse an über 200 Absolventen vergeben hat. Immer noch ist die Schule kein großer Begriff. Die Schülerzahlen schwanken, im Moment sind sie unten. Insgesamt 30 Schüler in zwei Klassen besuchen das Ingenieurkolleg für Automatisierungstechnik (IKA). Im Februar kommen noch jene rund 15 hinzu, die nach dem Lehrabschluss in einem eigenen Lehrgang auf den Schuleintritt im Herbst vorbereitet werden.

Direktor Franz Pohler – er strahlt übers ganze Gesicht, wenn er von seiner Schule spricht – startet nun mit seinem Lehrkörper eine Marketingoffensive, gepaart mit einem auf die Wünsche der Absolventen und der Industrie besser zugeschnittenen Angebot. So könnte etwa der halbjährliche Aufbaukurs, der Facharbeitern mit abgeschlossener Lehre die Schulbesuchsberechtigung ermöglicht, künftig auch berufsbegleitend in Wochenendblöcken organisiert werden. Maturanten, die über das IKA in nur zwei Jahren einen HTL-Abschluss erwerben hätten können, habe die von Außerferner Industrie und Land Tirol getragene Privatschule leider nie besonders angezogen; keine zehn in zwölf Jahren nutzten das Angebot. Mädchen übrigens auch nicht, derzeit sei kein einziges am IKA zu finden. „Was aber kein lokales Spezifikum ist. Technische Ausbildungen ziehen Frauen leider nicht an. Wir werden versuchen, das zu ändern“, spricht Pohler eine Generaleinladung aus. Überhaupt soll das Einzugsgebiet auf das Allgäu, Inntal, Südtirol und Vorarlberg erweitert werden.

Geradezu schwärmerisch wird der Direktor, übrigens auch ein Lateiner, wenn er die Vorteile des IKA beschreibt: „Unsere viersemestrige Schule ist die ideale zweite Chance zur Weiterbildung. Denn wer weiß schon mit 14 immer, was er will? Sogar eine Dame mit 50 Jahren hat gerade erst bei uns abgeschlossen. Dass wir so klein sind, ist ein Riesenvorteil. Wir können auf jeden Schüler individuell eingehen.“ Immerhin 17 Lehrende, bis hin zum Uniprofessor, betreuen die 30 Schüler. Gerade die menschliche Entwicklung sei auch wichtig, das IKA keine reine Technikschmiede. Einer Genese wie der Digitalisierung würde Rechnung getragen; Industrie 4.0 fließe in den Unterricht ein. Die Schule würde sich überhaupt gerade neu orientieren, sei in einer Art Umbruchsituation; dauernd der Frage hinterher, was der Markt benötige.

Derzeit lässt die Wirtschaftskammer Reutte die Rahmenbedingungen für eine Voll-HTL ab 14 Jahren mit Standort Reutte prüfen. Für Franz Pohler eine Angebotserweiterung, die er vernünftig findet und gerne mit einer in Tirol noch nicht erlebten Vernetzung zwischen AHS und BHS verwirklichen würde.

(Quelle: Tiroler Tageszeitung, 28. 10. 2016 http://mobileapps.tt.com/panorama/gesellschaft/12186040-91/reuttener-ingenieurkolleg-nur-knapp-an-wahrnehmungsgrenze.csp)

 

 

Wirtschaft drängt auf HTL in Reutte

Ein Schulcluster zwischen Gymnasium und Ingenieurskolleg (IKA) soll eine HTL für „Digitale Technik“ ermöglichen. Beim Neujahrsempfang der Wirtschaftskammer vermischte sich Ernstes mit Smalltalk.

Von Helmut Mittermayr und Hans Nikolussi

Reutte – Zum neuen Jahr gehört der Neujahrsempfang – ein Fixpunkt im Jahreslauf. In den Reuttener Wirtschaftskammerräumlichkeiten herrschte Mittwochabend wieder dichtes Gedränge. Außerferner Unternehmer und Führungskräfte aller Art waren zu Reden, Gesängen, Gulasch, Beuschel, Petit Fours und guten Tropfen geladen. Die schon zum Inventar gehörenden Wiltener Sängerknaben zeigten mit Operetten bis zu extra für die Wirtschaft umgeschriebenen Liedtexten „Holaradio, die Steuern sollen sinken, holaradio“ ihre Bandbreite und erklärten allen im Saal, dass es neben Kitzbühel auch im Bezirk Reutte einen Hahnenkamm gebe.

Die Festreden hielten Reuttes Wirtschaftskammerobmann Christian Strigl, Tirols WK-Präsident Jürgen Bodenseer und Landesrätin Patrizia Zoller-Frischauf. Während Bodenseer einen Bogen von Trump über Freihandelsabkommen bis zu Zumutbarkeitsgrenzen niederösterreichischer Köche spannte, forderte Zoller-Frischauf ein „Aufrüsten“ in Brüssel. Jeder bis hin zu NGOs betreibe dort Lobbying, die heimische Wirtschaft müsse hier dringend nachziehen.

Strigl hatte den lokalen Part übernommen. Er präsentierte ein Projekt gegen einen zu erwartenden digitalen Tsunami und das Problem Bildungsabwanderung im Bezirk. Eine ganz neue höhere Schule im Außerfern zu etablieren, sei das hehre Ziel, das sich die Wirtschaftskammer Reutte für die Zukunft gesteckt hat. Der Bezirk soll mit „Industrie 4.0“ zum digitalen Zentrum Tirols werden.

„Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung wird sich die Welt bald maßgeblich ändern. Deshalb wollen wir einen Ausbildungsschwerpunkt für digitale Technik im Bezirk Reutte schaffen“, sagte Strigl. Der Kammer schwebt ein Schulcluster vor, in dem das bestehende Ingenieurskolleg für Automatisierungstechnik (IKA) und das Gymnasium mit seinem technischen Zweig kombiniert werden können. Erste Vorgespräche mit Schulbehörden, Unternehmen und Bildungsanstalten seien geführt. Zurzeit werden in einer Bedarfs- und Akzeptanzanalyse, auch mit einem Blick über die Grenze ins Allgäu, Grundlagen erhoben. Die rechtliche Seite sei geklärt. Von Unternehmensseite werde großes Interesse an einer derartigen Bildungsstätte signalisiert. Das Potenzial an Schülern sollte auch kein Problem darstellen, pendeln doch aktuell rund 350 aus dem Bezirk aus.

 

Der Fahrplan laut Strigl: noch heuer Abschluss der Analyse, bei positivem Ergebnis ein Start zum Schuljahr 2018/2019. „Mechatroniker, Maschinenbauer oder Hard- und Softwareentwickler – Außerferns Betriebe brauchen Fachkräfte im Technikbereich“, ist sich der Wirtschaftskammerobmann sicher und befindet sich damit im Einklang mit dem Arbeitsmarktservice. „Mir wäre es persönlich wesentlich sympathischer, wenn Schüler von auswärts an eine HTL in Reutte einpendeln würden“, gab sich Christian Strigl hoffnungsvoll.

Strigl weiter zur Außerferner „Lebensader“, der B 179: „Unser oberstes Ziel muss es sein, den Verkehr zwischen dem Zentralraum Reutte und dem Fernpass bzw. in weiterer Folge dem Inntal am Laufen zu halten, ohne das 7,5-Tonnen-Limit für Lkw zu gefährden.“ Der Scheiteltunnel als Einzelprojekt werde den Stau im Bezirk nicht lösen, aber eine potenzielle Gefahren- bzw. Staustelle entschärfen und die Strecke über den Fernpass um über vier Kilometer abkürzen. Gemeinsam mit den Begleitmaßnahmen der Fernpass-Strategie wie Pförtnerampel u. v. m. soll es gelingen, zumindest eine spürbare Entlastung für Wirtschaftsbetriebe und Bevölkerung zu schaffen.

„Jenen Personen, die lautstark, populistisch eine Autobahn oder große Tunnellösung verlangen, sei gesagt, dass diese Ideen auf Grund von bestehenden Verträgen wie der Alpenkonvention immer Hirngespinste bleiben werden.“ Die Petition pro Scheitel- und Tschirganttunnel sei nicht nur von einigen Bürgermeistern unterschrieben worden, sondern auch von allen größeren Industrie- und Wirtschaftsbetrieben der Bezirke Reutte, Landeck und Imst. „Außerdem bin ich der Meinung, dass ein gewählter Volksvertreter für die Unterschrift dieser Petition keinen expliziten Gemeinderatsbeschluss benötigt, genauso wenig wie diejenigen, die ihn nicht unterschrieben haben. Diese Unterschriften als Privatmeinungen abzuwerten, entbehrt jeder Grundlage und entspricht nicht meinem Verständnis von Volksvertretung“, schloss Strigl.

 

(Quelle: Tiroler Tageszeitung, 20. 1. 2017)